Gute Reise Rudi!

Gute Reise, Rudi!

Ein persönlicher Nachruf auf Rudi Löffelsend von seinem langjährigen Kollegen und Freund Christoph Grätz

Rudi Löffelsend, der langjährige Leiter der Auslandshilfe und Öffentlichkeitsarbeit im Caritasverband für das Bistum Essen, ist in der Nacht zu Montag, 2. November 2020, im Alter von 70 Jahren im Alfried Krupp-Krankenhaus in Essen-Steele gestorben. Löffelsend hat sich bis zu seiner Pensionierung 2010 und lange darüber hinaus vor allem durch seine Projektarbeit der Not- und Katastrophenhilfe in Ost- und Süd-Ost-Europa einen Namen gemacht.

Rudi Löffelsend war ein Mensch mit unverbrüchlicher Zuversicht, Gottvertrauen und einer guten Portion Humor, gepaart mit robustem Pragmatismus. Als Pfadfinder und Meister der Kommunikation hat er es wie kaum ein zweiter verstanden, zu netzwerken und Menschen zu begeistern. Authentisch war er, aber zuweilen auch nassforsch, sagte ohne weitere Rücksprache auf eigene Verantwortung Projekte zu und hat sich damit natürlich nicht nur Freunde gemacht.

Ab 1989 startete die Auslandshilfe der Caritas im Bistum Essen ihre Aktivitäten mit Mitteln der Landesregierung NRW zunächst in der Ukraine. Der Mauerfall machte es möglich, ab 1989 auch im rumänischen Banat Hilfen aufzubauen. Die schrecklichen Bilder aus den dortigen Kinderheimen unter Verantwortung des Diktators Ceaușescu hatten die Welt verstört. Die Caritas gründete in Temeswar eine Schule für Pflege und Heilberufe, förderte Landwirtschaftsprojekte und unterstützte Kinderheime. Später folgten dann Projekte in Mazedonien, in der Tschechischen Republik, in Bulgarien; ab Beginn des Balkankrieges auch in Kroatien, Bosnien und Serbien.

Mit Journalisten quer durch Bosnien

Bosnien: Ich weiß nicht, wie viele Journalisten wir gemeinsam mit unseren Caritas-Partnern durch dieses Land geschippert haben. Auf diesen Journalisten-Reisen wurden immer viele Kilometer gefahren, und am Abend wurde viel getrunken und gelacht. Rudi als begnadeter Erzähler verstand es immer, die versammelte Mann- und Frauschaft schon am ersten Abend für sich einzunehmen; entsprechend waren auf diesen Reisen eigentlich alle ständig übernächtigt. Journalisten schätzten an ihm seine prägnante Art, Zusammenhänge bündig zu erklären, seine umfassende Kenntnis der politischen und sozialen Zusammenhänge und seinen Humor.

Partner der Auslandsprojekte war in der Zeit von 1989 bis zu Beginn der 90er Jahre die Landesregierung NRW. So war die Auslandshilfe der Caritas im Bistum Essen unter Rudis Leitung am Reintegrationsprogramm in Skopje/Mazedonien beteiligt. Mit ihrer Mitwirkung an diesem anfangs höchst umstrittenen Projekt war die Caritas auch Begründer einer praktischen Umsetzung der „Neuen Flüchtlingspolitik“, die vom damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement geprägt wurde. Ein Ansatz der Flüchtlingshilfe, der auf die Unterstützung der Menschen in ihren Herkunftsländern aufbaute, um Fluchtgründe abzubauen.

Ich habe Rudi immer bewundert für seine Fähigkeit, mit Menschen in bitterster Armut wie in der Topana, einem Roma-Viertel in Skopje, genauso wertschätzend umzugehen wie mit dem Vorstandsvorsitzenden der RAG.

Hoch aktiv auch nach der Pensionierung

Ab Anfang der 90er Jahre hat die Caritas Auslandshilfe viele Projekte mit EU-Mitteln realisieren können. Themen waren der Kampf gegen Menschenhandel und die Verbesserung der Lebenssituation der Roma auf dem Balkan. Ab 2004 erweiterte die Caritas im Bistum Essen ihre Aktivitäten im Ausland auf die Hilfe für Tsunami-Opfer auf Sri Lanka und später dann auf die Region Kurdistan im Nahen Osten. Hier hat Rudi Löffelsend auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst bei der Caritas ab 2010 weiter geholfen. Er war Initiator des Vereins Caritas Flüchtlingshilfe Essen, den er nach seiner Pensionierung gründete, um im Nahen Osten in der Region Geflüchteten und Binnenvertriebenen zu helfen, aber auch vor Ort in Essen Menschen, die nach Deutschland geflüchtet waren. Hier hatte Rudi eine hochengagierte Truppe von Aktiven um sich geschart, die schnell, unbürokratisch und effektiv Projekte und Hilfen – wie das Flüchtlingsdorf Ruhr im Irak – in der Krisenregion umgesetzt hat. Außerdem hat er mit Hilfe vieler Unterstützer nach dem Flüchtlingsjahr 2015 vorbildliche Hilfen in Essen aufgebaut.

Herzblut, Cleverness, Zielstrebigkeit

Rudi war ein Mann der schnellen Entscheidungen, einer, der improvisieren konnte. Einer der immer genau wusste, was er wollte, aber auch einer, der immer eine ganze Schar Leute brauchte, um das von ihm verursachte Chaos zu ordnen. Auf seine Art war Rudi auch ein Visionär, der mit viel Engagement, Herzblut, einer Portion Cleverness und Zielstrebigkeit seine Projekte vorangetrieben hat.

Sein besonderes Herzensprojekt war das Kinderheim Sankt Nikolaus in Temeswar in Rumänien. Dieses Projekt hatte Rudi aus der Taufe gehoben, begleitet und mit unermüdlichem Engagement aufrechterhalten: zunächst mit Geldern der Landesregierung NRW, später dann mit Hilfe privater Sponsoren. „Wenn ich mal nicht weiß, warum ich das alles hier mache, muss ich nur nach Rumänien ins Kinderheim fahren und sehen, wie die Kinder hier leben und heranwachsen“, das war eine von Rudis Motivationen.

Sein „niederrheinischer Kinderglaube“, wie er selbst es nannte, war es wahrscheinlich, was ihn in seiner Umtriebigkeit getragen hat. Möge ihn dieser auch auf seiner letzten Reise begleiten. Wir trauern um einen echten Caritäter und großartigen Menschen.

Gute Reise, Rudi! (RIP)

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